Armero i Adrover - „Coq au vin“
Ein Weinbauer vom iberischen Festland setzt erfrischende Kontrapunkte
Ausfallstraße Felanitx. Eine ehemalige Hühnerfarm mit verblichenem Wellfaserdach mitten im Acker. Die genaue Zufahrt bleibt erst einmal Verschlusssache. Über Feldwege tasten wir uns schließlich hinterrücks an den Gebäudekomplex heran. Und endlich, die Einfahrt!
Allerdings: So hätte man sich die Wiege respektabler Rotweine und beliebter Weißweine nicht vorgestellt. Doch gleich darauf die positive Überraschung: Kaum ausgestiegen eilt freudestrahlend Bodegero Luis Armero heran. Die ausgestreckte Rechte flattert wie das Banner der Freundschaft vor ihm uns entgegen. Hinter der dunklen Hornbrille blitzen aufgeweckte Augen. Man ahnt: Der Mann wird einiges zum Thema Wein zu sagen haben, das scheint sicher!
Kein Kunststück nahm doch bereits der Großvater den dreijährigen Stöpsel Luis allmorgendlich auf den Arm, bei allzu offensichtlicher Unlust, dem Hahn beim ersten Schrei zu folgen, auch schon einmal beim Ohr, um ihn im eigenen valencianischen Weingut in die Geheimnisse der Herstellung guter Weine einzuweisen. Vor Kälte schlotternd, erinnert sich Luis, stand er damals oft vor Fässern, die weit höher waren als er selbst und schnupperte herrliche Aromen...
Doch das ist lange her. Mittlerweile hat Luis Armero auf Mallorca eingeheiratet. Seine bessere Hälfte ist Insulanerin und kümmert sich um die Bücher. Dem Thema Wein ist er indes die ganze Zeit treu geblieben, jetzt mit einer eigenen, selbst verantworteten Bodega. Dafür musste allerdings das Federvieh die Koffer packen und aus der Halle ausziehen. Bereut hat jedoch keiner der beiden Ehepartner den Entschluss von der Geflügel- auf die Wein-Wirtschaft umzusatteln.
Die niedrigen Hallendecken der ehemaligen Legebatterien wurden ausgeschäumt, der Temperaturregulierung wegen. 1000 Liter Nirosta-Tanks nahmen Einzug; alles in Eigenkonstruktion. An der Qualität der Schweißnähte kann man heute noch ziemlich genau den Werdegang des Hausherrn vom blutigen Anfänger in Sachen Schlosserzunft, zum fingerfertigen Schweißer-Profi ablesen. Überhaupt trägt vieles im Hause die unverkennbare Handschrift des echten Vollblutwinzers. Luis Armero beschreitet bisweilen auch ungewöhnliche oder unpopuläre Wege, um seine Vorstellungen von Wein umzusetzen.
Auf gut dreizehn Hektar rund um Felanitx kultivieren die Armeros heute ihre Reben. Die Lage: Überwiegend gemäßigt. Keines der Felder überschreitet die 500 Meter Marke. Erstaunlich hoch für einen mallorquinischen Wein fällt dabei der Anteil an Importreben wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah aus. Mehr als 60 Prozent der Trauben stammen aus inselfernen Rebenregionen. Besonders französische Varietäten bereichern die erdigen Grundtöne der autochthonen Callet-Trauben um fruchtige Obertöne und liebliche Nuancen. Damit sind die Weine der Bodega Armero i Adrover angenehm zugänglich und vielschichtiger als manch reine Insulaner.
Besonders gut scheint den überwiegend deutschsprachigen Kunden der Weiße des Haues zu bekommen. Sein Anteil steigt seit seiner Einführung im Jahre 2000 kontinuierlich. Heute machen der ”Armero i Adrover Blanc” und der ”Armero i Adrover Collita de fruits Blanc” nahezu 50 Prozent der gesamten Jahresproduktion aus und werden bei vielen Winzern gern mit eigener Etikette versehen in den Verkauf gebracht. Wie bei den Rotweinen liegt auch bei den Weißen der Anteil internationaler Reben- in diesem Falle Chardonnay – ebenso hoch, wie der Anteil heimischer Prensal-Trauben. Urmallorquinisch sind die Cuvées von Luis Armero also in keinem Falle zu nennen.
Auch ist er nicht - wie von vielen Winzern der umliegenden Weingüter vehement vertreten - von der Wurzel bis zur Ranke ökologisch eingestellt. „Damit wird heute viel Marketing betrieben“, meint der gestandene Praktiker schlicht. Als verantwortungsbewusster Winzer müsse man vielmehr mit Weitsicht vorgehen. Wenn der Weinstock Unterstützung gegen Krankheiten, gegen fehlende Nährstoffe oder bei zu wenig Wasser benötigt, dann seien diese Hilfen eben zu geben - sonst laufe man als hauptberuflicher Weinbauer langfristig Gefahr Haus und Hof, und somit die Existenz zu verlieren.
Soll aber nicht heißen, dass die Weine Armero i Adrover jedes Jahr kräftig gespritzt und mit Kunstdünger versorgt würden. Tatsächlich konnte in den letzten Jahren auf eine chemische Schädlingsbekämpfung völlig verzichtet werden. Kunstdünger, auch daran lässt er keinen Zweifel offen, gelange bei ihm sowieso nicht auf den Acker.
Besonders die Weißen von Luis Armero handelt die örtliche Wein-Szene heute unter den Geheimtipps im Osten Mallorcas. Man sollte sich deshalb nicht über die Maßen vom schlichten Umfeld beeinflussen lassen. Denn wie Luis völlig richtig bemerkt: „Es zählt allein, was drin ist, nicht das, was draufsteht.“