Ca´n Novell - Nonkonformist
Guter Wein muss nicht teuer sein.
Im schummrigen Verkaufsraum mit den mannshohen Olivenholz-Fässern haben sich drei Orts-Honoratioren zu einer morgendlichen Plauderrunde - der „tertulia“ - eingefun-den. Die Herren auf den rot bezogenen, kaum 50 Zentimeter hohen Stühlchen kom-mentieren den Verfall des Staatswesens im Allgemeinen und die stagnierenden Renten ganz konkret. Man bleibt gelassen. Beflügelt durch die opulenten Weinaromen der Verkaufshalle schwenkt das Gespräch schließlich in neue Bahnen. Das Trio in den dunklen Anzügen wird nun, beim Thema Rebensaft sichtlich munterer. Einer bemerkt verschmitzt, dass man ihm neulich einen ziemlich teuren Festlandwein ausgeschenkt habe. Na, wie er denn gewesen sei, haken die anderen gespannt nach. „Pixo de porc,“ glaube ich mich verhört zu haben. Die Herren blicken einen Augenblick abwartend ins Rund, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrechen. „Per descomptat, no era el vi de d'aquí. Es vi de Can Novell és bo i barat“, rückt mir der enttäuschte Genießer mit einem Augenzwinkern die Weinwelt wieder ins Lot. Will sagen: Selbstverständlich war der Wein nicht von hier. Can Novell ist gut und günstig.
Mit „gut und günstig“ scheint der Mann auch griffig das Motto der Bodega im Herzen von Binissalem zusammengefasst zu haben. Mittlerweile in der vierten Generation geht Andreu Villalonga dem Geschäft seiner Vorfahren nach. Dabei liefen die Produktions-prozesse über siebzig Jahre lang weitgehend gleichförmig in den bewährten Bahnen alter Familientraditionen ab. Erst die letzte Generation brachte erneut Bewegung ins Geschäft. Der Filius entschied sich für ein Journalismusstudium. Aufregung zu Hause, die Thronfolge in der Bodega geriet in Gefahr. Erst später wurde Andreu klar, wie tief er auf Mallorca und speziell auch in der Weinwirtschaft verwurzelt war. Deshalb legte er gleich einen gekonnten Master als Weinbauer und Önologe an der polytechnischen Universität zu Madrid nach.
Damit sollte sich auch bei Can Novell einiges ändern. „Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert,“ meint der Heimkehrer ziemlich locker, „da gibt es moderne Technik und neue Möglichkeiten.“ Und: „Mein Studium hat mir gezeigt, wo die mallorquinische Wein-Wirtschaft steht und vor allem, wo ich mit meinen Weinen hin möchte.“ Zwar hatte man bereits Ende der 90er bereits die ersten Edelstahltanks angeschafft. Doch erst mit dem Generationenwechsel im Jahre 2004 bereicherte aktuelles Fachwis-sen überlieferte Winzer-Weisheiten. Andreu sucht das Beste aus beiden Welten.
Da wundert es nicht, wenn die Villalongas auch im Bereich der Qualitätssicherung eigene Wege gehen. „Medaillen haben mich nie interessiert,“ bemerkt der Jungwinzer kritisch, „und der hiesige Herkunftsnachweis wurde durch andere Produzenten initiiert, die damit ganz konkrete Interessen verbinden. Wieso sollte ich mich damit also binden? Die Herausforderung besteht für mich darin, in der zweiten Weinliga zu spielen, aber wie ein Erstligist zu schmecken. Die Qualitätsrichtlinien geben dabei meine Kunden vor.“ Das Überlebensrezept des Nonkonformisten scheint in schwierigen Zeiten aufzugehen. Mit einem ziemlich zufriedenen Grinsen lässt der Geschäftsmann verlauten, dass in Zeiten stagnierender Absätze, die Bodega Novell Zuwächse verzeichnen kann. Allerdings weigert er sich standhaft, konkrete Zahlen zu nennen.
Die Familie Villalonga bedient jetzt seit mehr als 80 Jahren einen eher traditionell orientierten Kundenkreis. Einige kommen schon seit 40 Jahren und mehr, um mit einer, oder auch zwei Karaffen den Wochenbedarf zu decken. Gut 90 Prozent des Absatzes generiert das mittelständische Unternehmen auf der Insel. Neuerdings finden vermehrt auch jüngere Weinliebhaber den Weg in die Bodega. Hier kann Can Novell mit einem ziemlich breit aufgestellten Sortiment punkten. Denn Andreu offeriert nicht nur eine ganze Reihe von frischen, fruchtigen „Añadas“, sprich Jahresweinen, sondern auch „Crianza“, der in französischer Eiche reift. Selbst schweren, aromatischen Spezialitäten, die an einen Port erinnern oder Süßweine mit aromatisch-blumiger Note gehören zu den lukullischen Überraschungen, die in den Fässern in der Verkaufshalle ihrer Entdeckung entgegen schlummern.
So sind die gewaltigen Weinfässer im Verkaufsraum beileibe keine verkaufsfördernde Attrappe. In den 200 bis 250 Jahre alten Bottichen ruht der Wein manchmal bis zu sechsunddreißig Monate lang, bevor er über den roten Siphon abgefüllt wird. Die Dau-ben der Oldtimer sind noch aus Olivenholz gefertigt, die Reifen aus Steineiche. Sie geben den Weinen ein ganz individuelles Aroma.
„Wir gehören zu den wenigen, die noch Weine alter mallorquinischer Schule mit modernen Mitteln machen“, bekräftigt Andreu. Unterschiede zu anderen Insel-Bodegas werden auch im Bereich Recycling deutlich. „Skandalös, wie gering man hier in Spanien die Wiederverwendung von gebrauchten Materialien schätzt“, gerät der ehemalige Journalist in Rage. Folgerichtig vergütet man zwölf hauseigene Leerflaschen mit einem Euro. Flaschen anderer Produzenten werden mit acht Cent pro Stück verrechnet. Das Leergut durchläuft dann die automatische Waschstraße und kehrt in den Produktkreislauf zurück. Selbiges gilt übrigens auch für die Fünf-Liter-Karaffen, die überall im Verkaufsraum sauber aufgestapelt stehen. Bei Can Novell sind sie aus Glas und nur beim ersten Kauf kosten sie drei Euro. So schließt man Beziehungen fürs Leben.