Thronanwärter
Auf dem Landgut Es Fangar ist man fest entschlossen, den besten Wein der Insel herzustellen.
Anfang Februar hüllt sich auch noch kurz nach zehn Uhr die pittoreske Landschaft in eine dicke weiße Wolkendecke. Zur Rechten wächst der bewaldete Rücken des Puig de San Salvador in die flauschigen Wattebälle. Zur Linken reckt sich der Hausberg des Landguts, der Puig de Fangar mit seinen schroff abfallenden Flanken der Himmelsdecke entgegen. Zwischen den beiden Polen scheint die Welt für einen Augenblick den Atem anzuhalten. Der Blick gleitet über Mandelhaine, bewaldete Hügelkämme, grasgrüne Pferdekoppeln und die wie mit dem Lineal gezogenen Spaliere der Reben. Dann zeichnet er am Horizont die Silhouette der Landschaft nach. Und wie ein Geschenk des Himmels brechen nun auch die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen durch die sich langsam auflösenden Wolken.
Keine Schnellstraße durchschneidet das friedliche Idyll. Nicht einmal ein bescheidenes Landsträßchen unterteilt die grünen Hügelkuppen. Natur pur, soweit das Auge reicht. Und das, so meinen die Betreiber, sei genau der Ort, an dem Spitzenweine reifen. Ausgewiesenes Ziel der önologischen Bemühungen ist: „den besten Wein der Insel“ herzustellen. Tatsächlich weist das Naturkleinod zwischen Felanitx im Süden und Ma-nacor im Nordwesten erhebliche Geberqualitäten auf. So bescheinigt etwa Daniel Morales Rodríguez, der önologische Berater des Landguts dem vorherrschenden Mikroklima hervorragende Voraussetzungen für eine exzellente Traube. Der weitgehend geschlossene Talkessel vermeide klimatische Extreme und starke Winde. Der hohe Grad an Luftfeuchtigkeit, der nur wenige Kilometer weiter östlich den gesamten Küstenstreifen beherrscht, sei hier deutlich durch die vorgelagerten Höhenzüge abgepuffert. Das wiederum verhindert wirksam die Ausbreitung von schädlichem Pilzbefall, einem der primären Risikofaktoren für mallorquinische Rebstöcke.
Optimale Voraussetzungen für Spitzenweine sieht der junge Önologe aber auch im Terroir. Eine ausgewogene Mischung aus Tonerde, Sand und Kies versorgt vor allen die Rotweine, die an den Hängen des Haupttals wachsen, mit Mineralien. Das Terroir gibt den Rebstöcken auch genau jene Menge an natürlichen Stress mit auf den Weg, die nötig ist, um Aromen und Inhaltsstoffe zu konzentrieren. Es verhindert überdies den Nässestau.
Es Fangar, zu Deutsch etwa patzig mit „schlammiges Land“ übersetzt, macht hier sei-nen Namen also keine Ehre. Ganz im Gegenteil, das Gelände weist ausgezeichnete Entwässerungseigenschaften auf.
Gedüngt wird ausschließlich mit einer Mischung aus Pferdemist und Kompost. Beide Komponenten fallen kostenfrei im Rahmen der ebenfalls auf dem Hof beheimateten Hannoveranerzucht an. Auch die ebenfalls reichlich vorhandenen kompostierbaren Rückstände aus dem ökologischen Anbau von Gemüse und Früchten finden Wieder-verwendung. Eine Winterbegrünung der Weinfelder reguliert zudem den Stickstoffhaushalt auf natürliche Weise, fördert die Abwehrkräfte der Reben.
„Fast ebenso wichtig,“ erklärt Daniel Morales der im katalanischen Priorat sein Hand-werk erlernte, „ist aber auch die tägliche Pflege im Feld. Da wird das Blattwerk beige-schnitten, um einer idealen Sonneneinwirkung möglichst nahe zu kommen. Auch überschüssige Trauben schneidet man zurück. Je nach Varietät schließen sich bis zu fünf Erntezyklen an, bei denen nur die jeweils optimal gereiften Partien gelesen werden. Nach dem Entstielen erfolgt letztlich die ultimative Lese der einzelnen Trauben. Alles und immer zu 100 Prozent Handarbeit - nur so arbeitet man sich in die exklusive Spitze der Inselweine vor.
Die anschließende Fermentation und der Ausbau befinden sich noch im Entwicklungsstadium. Hier experimentiert das Team um Daniel Morales mit unterschiedlichen Gärtanks. Mal wird in herabgekühltem Edelstahl umgepumpt, mal eingetaucht. Und auch Gärfässer aus französischer Eiche gehören ins Versuchsarsenal. Selbst der letzte Schrei, die wiederentdeckten gemauerten Behältnisse zur Fermentation vermögen ihre Vorzüge auszuspielen. Sie sollen eine harmonischere Reife und den Abbau von meist störenden Aromaspitzen gewährleisten. Erste Proben verliefen jedenfalls vielversprechend.
Danach lässt man dem Wein Zeit, viele Monate lang. Allein die schonende Batonnage lässt den Roten über Wochen hinweg Raum, um sich zu setzen. Der anschließende Ausbau gönnt den Weinen noch einmal mindestens zwölf Monate Ruhe. Hier hat sich bereits eine Mischung aus französischer Eiche bewährt, die mit einem Anteil von etwa fünf Prozent durch amerikanische Barriques abgerundet wird. Mindestens weitere zwölf bis vierundzwanzig Monate in der Flasche vollenden schließlich den Reifeprozess. Mit diesen Maßnahmen möchte der in Manacor lebende Önologe seiner roten Garde nicht nur einen kräftigen, eleganten Auftritt verschaffen; er will damit auch deutlich die bei mallorquinischen Weinen sonst eher kurze Haltbarkeit verlängern.
Zurzeit sind drei Weine im Markt etabliert. Dabei handelt es sich um eine elegante Coupage aus Callet, Manto-Negro, Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah, die unter dem Namen „5 Diferents“ firmiert. Weiter gibt es den intensiv hellroten „2012 Neu Carbónic“. Auch hier ist der Name Programm. „Neu Carbónic“ bezieht sich auf das Tro-ckeneis, das man zur Unterbrechung der Fermentation im rechten Moment einsetzt. Sie verleiht dem Rosé aus Callet, Manto-Negro, Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah Struktur und intensive Fruchtaromen mit einem Hauch von Süße. Und auch der Weiße im Bunde findet immer mehr Freunde, „Sa Fita“ - eine Mariage aus Chardonnay, Premsal-Blanc und Moscatel.
Für 2013 / 2014 sind zwei weitere Rotweine geplant. Auch sie sollen einst im Konzert mallorquinischer Spitzenweine ganz oben den Ton mit angeben.