Miquel Oliver - Von der Evolution der Weine
Pilar Oliver verquickt alte Winzer-Traditionen mit moderner Technik und kreativem Feingefühl.
In der zugigen, neuen Lagerhalle rasselt die Etikettierstraße, ein eifriger Gabelstapler-Fahrer rangiert mit Paletten voll des edlen Rebensaftes. Von hier aus führt ein Seitengang ins stille Herz der Wein-Produktion. Im angrenzenden Kreuzgewölbe aus mallorquinischem Sandstein reifen exzellente Weine in gut 400 Barriques. Der Grundstein zu den honigfarbenen Marés-Bögen wurde bereits 1868 gelegt. Einst nahmen die gewaltigen Gärbottiche aus schwerem, dunklem Eichenholz - die cuvells - den gesamten Raum in Beschlag. Ein besonders imposanter Koloss mit gut 21.000 Litern Fassungsvermögen steht immer noch im hinteren Winkel der Halle.
Zu seiner Rechten, ein kurze Freitreppe; sie führt hinauf in die gute Stube. Dort geben unzählige fein gerahmte Diplome und Auszeichnungen einen Überblick zum Werdegang des Weinguts.
Auf einem Bänkchen unterhalb der Treppe, die zum eigentlichen Degustationsraum führt, liegt ein ganzer Stapel Rahmen - noch ohne festen Platz an den überquellenden Wänden. Es handelt sich um die letzten drei, vier Jahre noch nicht aufgearbeiteter Firmenhistorie.
Im ersten Stock dann, an Omis feinem Esstisch, wartet die Weinprobe. Pilar Oliver, gelernte Önologin, gibt dazu ein nahezu unendlich scheinendes Wissen rund um den Wein, seine Herstellung und seine regionalen Eigenheiten preis. Sie erinnert sich an Zeiten, in denen die Leute aus dem Ort mit Tonkrügen zur Bodega kamen, um die Tagesration "Tafelwein" einzukaufen. Das war in den 60ern, eigentlich noch gar nicht so lange her.
Mit dem Wein von damals hat allerdings die aktuelle Produktreihe nicht mehr viel gemein. Heute vertreibt man Qualitäts-Weine, die internationalen Standards genügen müssen, diese häufig sogar übertreffen. Die Vielzahl von Auszeichnungen belegen, dass mallorquinische Weine durchaus im Reigen internationaler Spitzen-Kreszenzen mitmischen können.
Bei Miguel Oliver war es der Rotwein, "Mont Ferrutx", der als Erster den Schritt in die Flasche schaffte. „Ein echtes Wein-Kuriosum“, erinnert sich Pilar, „denn die Rebstöcke wachsen in der Colonia de Sant Pere, keine 50 Meter vom Meer entfernt.“ Da schmeckt man Wind, Jod und Seeluft heraus. Das exklusive Weinvergnügen gab mit einigen wenigen anderen Weinen der Insel den Startschuss für den Wiederaufschwung der Wein-Wirtschaft Mallorcas. Für die Bodega Miguel Oliver bildet er den Grundstein des aktuellen Sortiments und den Einstieg in moderne Produktionsverfahren. Pilars Vater war es auch, der die ersten Edelstahl-Tanks für eine hygienisch einwandfreie Fermentation auf die Insel brachte.
Miguel und Pilar zählen aber auch in anderen Bereichen zu den Pionieren wiederbelebter mallorquinischer Winzerkunst. So wurde zum Beispiel der in den neuen Gärtanks angesetzte Rosé des Hauses, ”Son Caló Rosat”, durch die spanische Wein-Produktionsgemeinschaft ausgezeichnet. Es handelte sich um die erste Prämierung eines mallorquinischen Weins durch eine überregionale Instanz. Das war in den 1985ern.
„Im Jahre 2011“, führt Pilar mit einem leichten Stirnrunzeln an, „findet man Edelstahl-Depots allerdings in fast jeder Bodega. Also müssen wir nach neuen Wegen suchen, aus unserer Materia Prima das Beste zu machen.“ Zu den Trauben nur einige Stichworte: Halb-ökologisch, weitgehend ohne Pestizide und mit organischer Düngung angebaut, von Hand vorselektioniert und beigeschnitten, von Hand geerntet. Auch dies ist heute Standard auf mallorquinischen Weinfeldern.
Über die Norm weit hinaus geht allerdings Pilars sensibles Gespür für feine Weine. Mindestens 19 verschiedene Barriques, französische, amerikanische, bulgarische, feinporig, über Feuer erhitzt, gedämpft oder aus verschiedenen Eichenwäldern - verschaffen der Winzerin eine kreative Spielwiese, auf der sie sich mit Freuden austoben kann. So entstand unter anderem der sortenreine Callet-Wein ”Xperiment”. „Einmal abgesehen davon, dass meine großen Weine von Jahr zu Jahr schon wiedererkennbar sein sollen“, erklärt Pilar, „versuche ich aus jedem Jahrgang das Beste herauszuholen. Und da viele Wein-Genießer die Bodega besuchen und mir sagen, welcher Wein ihnen besonders gut geschmeckt hat, kommt ein gesunder Dialog zustande, der mir bei der Coupage weiter hilft.“
Mit kreativem Feingefühl gestaltet die junge Önologin auch die Flaschen-Etiketten selbst. So trägt zum Beispiel der sortenreine Merlot ”Aia” nicht nur den eigens gestalteten Schriftzug auf dem Flaschenbauch, sondern auch ihre Handschrift als Kellermeisterin im Inneren.