Son Artigues - Wachstumskurs
Auf Son Artigues betreibt man Produktpflege auf hohem Niveau.
Seit unserem letzten Besuch vor zwei Jahren hat sich auf Son Artigues einiges getan. Einmal abgesehen davon, dass die Öffnungsautomatik des Eingangstores zum stattlichen Anwesen nun hakelt, fällt sofort die schmucke Zufahrt ins Auge - frisch beschnittene Palmen, wirklich adrett. Dann tauchen Baumaschinen zur Linken auf. Hier entsteht eine nagelneue Kelterhalle mit angegliedertem Weinkeller - beides gewandet in uralten Naturstein. Ein Anbau soll ab 2013 der Verkostung Raum geben und wochentags für den Publikumsverkehr geöffnet werden - auch dies ist neu.
Last, but not least fiebert die Familie einem neuen Mitglied entgegen. Im Frühjahr 2013 erwartet man Zuwachs.
Und auch die Weinproduktion durchlebt fruchtbare Jahre. „Wir können von einer jährlichen Steigerung um gut zehn Prozent ausgehen,“ meint Marc Gayda. „Da gab´s mal schwerere, mal bessere Zeiten - aber unterm Strich ging es immer bergauf. “Noch vor zehn Jahren stellte die Bodega lediglich Weine für den Eigenbedarf her. Bestenfalls Freunde und Bekannte des Hauses kamen in den Genuss der ersten „Tintos“ des Hauses. Die Reben der ersten Stunde, mallorquinische Callet-Trauben, waren schon damals relativ alt. Heute zählen sie mit gut 65 Jahren zu den Methusalems des Inselbestandes. Ausreißen, wie ihm mehrfach geraten wurde, will der sympathische Berliner seine altgedienten Stöcke dennoch nicht. Die gäben zwar deutlich weniger Trauben, meint er, aber die Qualität sei weiterhin ausgezeichnet. Außerdem machen die 1,7 Hektar aus der Startphase heute nur noch einen kleinen Teil des Anbaus aus. Die Anbaufläche hat sich aktuell mit über zehn Hektar mehr als verfünffacht.
Die Produktion von Weinen ist im selben Zeitraum sogar um den Faktor zehn gestiegen. „Damit liegen wir ziemlich genau im Jahresplan,“ bemerkt Marc zufrieden. Andererseits war dies auch eine Dekade der Anpassungen und des Dazulernens. Administrative Hürden mussten genommen werden. „Und sicher“, räumt der Selfmade-Önologe ein, „schmecken meine jetzigen Weine ganz anders als meine ersten Abfüllungen. “Befreundete Winzer wie Luis Armero und gestandene Weinbauern aus der Gegend standen dabei Pate und verhalfen dem jungen Deutschen zu tiefen Einblicken in die mallorquinische Weinkultur.
Mit dem aufgesogenen Wissen weigert sich Marc Gayda auch standhaft, von guten und schlechteren Jahrgängen zu sprechen. Jeder Jahrgang sei individuell verschieden, hält er dagegen. Die Kunst des Winzers läge vielmehr darin begründet, das Potential eines jeden Jahres zu entdecken und herauszuarbeiten. Dabei findet der Gutteil Arbeit bereits auf dem Acker statt. „Ein guter Wein wird stets auf dem Felde geboren," lautet denn auch einer der Leitsprüche, die der 35jährige verinnerlicht hat. Und da habe sich in den letzten zehn Jahren - wie überhaupt in den letzten Jahrhunderten kaum etwas geändert.
Dabei geht der kluge Landmann nicht nach Schema F vor, sondern hat den Finger am Puls seiner Schützlinge. So wird beispielsweise kränkelnden Reben bei kleineren Malessen auch schon einmal mit einer Kräuterinfusion oder ätherischen Ölen wieder auf die Beine geholfen. „Aber wenn ganze Parzellen bedroht sind, muss halt die Schutzimpfung her,“ weiß der Berliner aus Erfahrung. Gottlob blieben die Felder in den letzten Jahren ob günstiger Witterung von flächendeckenden Maßnahmen verschont. Ökologischer Anbau und Winterbegrünung machen weitgehend sogar die Behandlung mit Kupfersulfaten überflüssig.
Handlese mit Vorauswahl, zweite Selektion in der Bodega und pressen von Hand machen andererseits den Produktionsvorgang sehr arbeitsintensiv. Die Unterschiede liegen aber - einigermaßen entwickelte Geschmackspapillen vorausgesetzt - auf der Zunge, meint Marc. So dünnt man ganz bewusst auch lediglich schlechte Trauben aber keinesfalls das Blattwerk aus. „Für mich ist das Thema Klimawandel Tatsache,“ lautet die Erklärung, „wenn ich bei mehr Sonne und Wärme die Reben zurückschneide, trocknet der Boden tiefer aus und meine Weine werden alkoholhaltiger. Wir alle müssen uns umstellen.“
Anpassung fordert auch der Markt. Anders etwa als einige Winzerkollegen, die beim Weinemachen erstaunt feststellen, dass augenscheinlich eine Menge Personen ihre Vorlieben teilen, geht Marc pragmatischer ans Werk. „Ich möchte schon, dass meine Weine schmecken - und zwar vielen Menschen.“ Deshalb rückt er persönliche Vorstellungen erst einmal in den Hintergrund und versucht einerseits festzustellen, welches Potential die Ernte aufweist und welche Trends vorliegen. Daraus leiten sich dann die einzelnen Komponenten wie Struktur, Holz und Fass ab. So arbeitet man bei Son Artigues beispielsweise ganz aktuell mit unterschiedlichen „Toastungen“ vor allem französischer Barriques, um typisch amerikanische Holznoten wie Nelken, Schokolade oder Vanille nicht übermächtig werden zu lassen.
Vertreten sind die Weine von Son Artiges heute vor allem in Nord- und Süd-Amerika. Doch auch der deutsche Markt legt zu. Schwerpunkte vor Ort liegen vor allem im Bereich Inselgastronomie und zunehmend auch in der Hotellerie. Die traditionelle Callet bildet bei den Rotweinen die Basis. Sie bringt unter anderem typische „Jahrgangsweine“ wie den ”Son Artigues Crianza Callet” mittlerweile in der siebten Generation hervor. Für weitere Tintos des Hauses werden zudem Merlot, Syrah und Monastrell kultiviert. Sie bilden die Basis für den ”Son Artigues Gran”, eine Coupage aus Callet, Merlot und Syrah, bei dem ein weitgehend konstantes Geschmackserlebnis angestrebt wird.
Zu den kultivierten Weißweinsorten gehören Premsal-Blanc, Macabeo und Moscatel. Zu haben ist zum Beispiel ein sortenreiner Weißwein aus Premsal-Blanc und ein Rosé auf Basis von Merlot und Syrah der auf den Namen „Prosado“ getauft wurde. Die Produktion beläuft sich derzeit auf rund 45.000 Einheiten pro Jahr. Außerdem werden 5.000 bis 6.000 Magnumflaschen abgefüllt. „Die,“ weiß Marc Gayda, „halten sich aber meist nicht lange ...“